Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers bei drohender Insolvenz

Die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main schreibt auf Ihrer Website über die Insolvenzantragspflicht des GmbH-Geschäftsführers bei Zahlungsunfähigkeit.– Neue Leitlinien durch den Bundesgerichtshof.
Die Insolvenzantragspflicht des GmbH-Geschäftsführers bei Zahlungsunfähigkeit – Neue Leitlinien durch den Bundesgerichtshof
von Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Dr. Michael Flitsch, Wellensiek Rechtsanwälte, Frankfurt a. M.

 

Der Geschäftsführer einer GmbH hat beim Amtsgericht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Damit die Geschäftsführer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit noch Gelegenheit haben, die Unternehmenskrise zu überwinden, gibt ihnen das Gesetz die Möglichkeit, innerhalb von maximal drei Wochen ernsthafte Sanierungsversuche zu unternehmen. Für den Geschäftsführer ist es in der Praxis allerdings schwierig, den Übergang von der bloßen Zahlungsstockung zur Zahlungsunfähigkeit zu erkennen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu neue Leitlinien festgelegt.

 

Die Verantwortung, die auf einem Geschäftsführer während einer Unternehmenskrise lastet, wiegt schwer. Lieferanten üben Druck auf die Geschäftsleitung aus, die Finanzkreditgeber stellen eine mögliche Kündigung des Kreditengagements in den Raum, und die Belegschaft des Unternehmens muss ebenfalls beruhigt werden. Gleichzeitig muss der Geschäftsführer versuchen, die Krise zu überwinden. Die Haftungsrisiken für den GmbH-Geschäftsführer erhöhen sich mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ebenfalls. So läuft der Geschäftsführer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit neben einer potentiellen Haftung nach dem GmbHG (§ 64 Abs. 2) weiterhin Gefahr, u. U. von den Sozialversicherungsträgern gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB persönlich für ausstehende Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteile) zivilrechtlich belangt zu werden, falls er den Insolvenzantrag zu spät stellt.

 

Relevant wird die Unterscheidung zwischen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und der bloßen Zahlungsstockung gerade auch im Hinblick auf Zahlungen an Lieferanten (Gläubiger) des Unternehmens. Befindet sich das Unternehmen noch nicht im Stadium der Zahlungsunfähigkeit, so darf der Geschäftsführer – befreit von einer möglichen Haftung gem. § 64 Abs. 2 GmbHG auch weiterhin Zahlungen auf fällige Verbindlichkeiten leisten. Ist hingegen bereits die Zahlungsunfähigkeit eingetreten, so dürfen nur noch Zahlungen auf Forderungen geleistet werden, soweit diese „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind“ (§ 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG). Dies bedeutet für den Geschäftsführer, dass er nur noch Zahlungen leisten darf, die für die aktuelle Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes zwingend erforderlich sind. Hierunter versteht man regelmäßig nur Zahlungen, die auch einen gleichwertigen Wertzufluss an das Unternehmen nach sich ziehen bzw. in einem engen zeitlichen Zusammenhang hiermit stehen. Damit sind aber Zahlungen für Lieferungen, die bereits länger zurückliegen, unzulässig.

 

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr Leitlinien für die Abgrenzung zwischen der Zahlungsstockung und der Zahlungsunfähigkeit definiert. Mit seinem Urteil vom 24.05.2005, IX ZR 123/04, hat der BGH folgende Kriterien festgelegt:

 

1. Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen dem BGH drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.

 

2. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke weniger als 10% der fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10% erreichen wird.

 

3. Beträgt die Liquiditätslücke 10% oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird.

 

Die aktuelle Rechtsprechung des BGH lichtet für den betroffenen Geschäftsführer damit zwar ein wenig den Nebel, gleichwohl birgt sie neue Risiken, die die Geschäftsleitung im Haftungs-Sumpf versinken zu lassen drohen. Durch die Festlegung des Grenzkriteriums bei 10% Liquiditätsunterdeckung verpflichtet der BGH den Geschäftsführer auch mittelbar, dass sich dieser zu jedem Zeitpunkt darüber im Klaren sein muss, ob diese Grenze unter- oder schon überschritten ist. Bereits zur eigenen Absicherung ist der Geschäftsführer in Zeiten knapper Kassen deshalb gehalten, ständig, d. h. ggf. täglich eine entsprechende Liquiditätsberechnung vorzunehmen bzw. im Unternehmen zu veranlassen. Während des laufenden Geschäftsbetriebes stellen sich für den Geschäftsführer im Rahmen einer solchen Liquiditätsberechnung allerdings diverse praktische Probleme. So muss er beispielsweise dafür Sorge tragen, dass alle fälligen Rechnungen in der Unternehmensbuchhaltung sofort überprüft und entsprechend gebucht werden. Nur so kann er sicher sein, dass er auf ein verlässliches Zahlenmaterial zurückgreifen kann. Denn im Insolvenzfall stellt sich eine solche spätere Nachberechnung für den Insolvenzverwalter recht einfach dar.

 

Als wesentlicher weiterer Punkt ist zu beachten, dass es sich bei den vom BGH festgelegten Kriterien nur um sog. Vermutungsregeln handelt. Diese Vermutungsregeln bestimmen in einem etwaigen Haftungsprozess die Verteilung der Beweislast. Wird deshalb nach den dargestellten Leitlinien die Zahlungsfähigkeit vermutet, so bedeutet dies nicht, dass der Geschäftsführer nicht mehr in Anspruch genommen werden könnte. Nunmehr ist allerdings der Insolvenzverwalter gehalten, den Beweis zu führen, dass gleichwohl eine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hat. Gelingt ihm dieser Beweis, so greift u. U. wiederum eine Haftung des Geschäftsführers. Im umgekehrten Fall, d. h. wenn die Zahlungsunfähigkeit vermutet wird, kann der Geschäftsführer zu seiner Entlastung ebenfalls den Beweis führen, dass die Vermutung nicht zutreffend ist. Die Hürde, die der BGH für den Geschäftsführer hierfür allerdings aufgebaut hat, scheint nahezu unüberwindlich zu sein. Beträgt die Liquiditätslücke mehr als 10% der fälligen Gesamtverbindlichkeiten, so muss der Geschäftsführer nachweisen, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten war, dass die Liquiditätslücke geschlossen werden kann. Dieser Beweis dürfte in der Praxis aber nahezu keinem Geschäftsführer gelingen.


Für die Geschäftsführer einer GmbH mit Zahlungsproblemen hat sich die Haftungslage damit faktisch verschärft. Denn durch die höchstrichterliche Klarstellung, wann nunmehr eine Zahlungsunfähigkeit und nicht mehr nur eine Zahlungsstockung vorliegt, werden auch die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Geschäftsleitung im wahrsten Sinne des Wortes berechenbar.

 

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