In ihrer Kolumne „Wird schon gutgehen!? Können Sie schweigen?“ auf LTO beleuchtet Dr. Simone Kämpfer, erfahrene Wirtschaftsstrafverteidigerin und ehemalige Staatsanwältin, die oftmals unterschätzte Bedeutung des Schweigens im Strafverfahren. Sie schildert eindrücklich, warum gerade in Stresssituationen – etwa bei einer Durchsuchung durch die Steuerfahndung – der Impuls, alles erklären zu wollen, fatale Folgen haben kann.
Schweigen ist ein Recht, kein Verdachtsmoment
Kämpfer macht deutlich, dass das Recht zu schweigen jedem Beschuldigten zusteht und nicht zu dessen Nachteil ausgelegt werden darf. Dennoch fällt es vielen schwer, dieses Recht wahrzunehmen. Menschen sind soziale Wesen, die darauf konditioniert sind, auf Fragen zu antworten – Schweigen wird oft als unhöflich oder gar verdächtig empfunden. Dieses Verhalten verstärkt sich im beruflichen Kontext, wo Kommunikation und schnelle Problemlösung als Tugenden gelten.
Die Gefahr unbedachter Aussagen
Anhand eines Praxisbeispiels zeigt Kämpfer, wie schnell gut gemeinte Erklärungen – insbesondere unter Stress – zu widersprüchlichen oder ungenauen Aussagen führen können. Solche Spontanäußerungen lassen sich später kaum noch korrigieren und können die Verteidigung erheblich erschweren. Die Autorin betont, dass auch ein freundlicher Staatsanwalt nicht der Freund des Beschuldigten ist und eine vorschnelle Kooperation selten zum gewünschten schnellen Ende des Verfahrens führt.
Vorurteile gegen Schweigen – auch bei Profis
Ein weiteres Problem: Nicht nur Laien, sondern auch Ermittler und Justizangehörige neigen dazu, Schweigen als Indiz für Schuld zu werten – ein Phänomen, das durch aktuelle Studien belegt wird. Dennoch bleibt das Risiko, sich durch voreilige Aussagen selbst zu belasten, deutlich größer als der mögliche Imageverlust durch Schweigen.
Fazit: Erst Schweigen, dann Verteidigung
Kämpfer rät eindringlich dazu, im Falle eines Ermittlungsverfahrens zunächst zu schweigen und erst nach Rücksprache mit einem Verteidiger zu agieren. Verfahren werden anhand der Beweislage entschieden, nicht nach Sympathiewerten oder Kooperationsbereitschaft am Tag der Durchsuchung. Gerade in unklaren Sachlagen kann konsequentes Schweigen sogar den Weg zum Freispruch ebnen.
„Der Staatsanwalt steht vor der Tür? Sagen Sie jetzt nichts. Die Wahrheit kann warten; so wie Sie erst mal auf Ihren Strafverteidiger […]“
Quelle:
Kämpfer, S. (2025). Wird schon gutgehen!? Können Sie schweigen? In: Legal Tribune Online, 12.06.2025, abgerufen am 17.06.2025.