Die Baubranche in Deutschland steht vor einer ernsten Krise. Experten prognostizieren eine Welle von Insolvenzen in der Bauwirtschaft, die durch eine Kombination aus hohen Baukosten, gestiegenen Zinsen und einer schwachen Konjunktur ausgelöst wird. Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), erwartet, dass in den kommenden Monaten etwa 10.000 Arbeitsplätze im Baugewerbe abgebaut werden müssen.
Besonders im Wohnungsbau zeigt sich die Krise deutlich: Die Erlöse sind 2023 um 12 Prozent eingebrochen und werden voraussichtlich auch 2024 um weitere 12 Prozent fallen. Diese Situation führt dazu, dass viele Bauprojekte auf Eis gelegt werden. So erwartet das Ifo-Institut für 2024 nur noch den Bau von 225.000 Wohnungen, im Vergleich zu 270.000 im Jahr 2023.
Eine weitere Herausforderung für die Branche sind die hohen Zinsen und Materialkosten. Diese Faktoren haben bereits große Bauträger wie Centrum und die Gerchgroup in die Insolvenz getrieben. Mathias Düsterdick, Chef der Gerchgroup, macht die extrem hohen Zinsen und Baukosten sowie den stillstehenden Investmentmarkt für die Pleiten verantwortlich.
Rolf Buch, der CEO von Vonovia, Deutschlands größtem Wohnungsunternehmen, warnt vor extrem vielen Baupleiten in Deutschland. Er betont, dass die gestiegenen Zinsen und Baukosten die Finanzierung neuer Projekte erheblich erschweren. Buch prognostiziert, dass sich die Lage weiter verschlechtern wird, und sieht insbesondere kleinere und mittelständische Bauunternehmen in großer Gefahr. „Es wird noch bitter werden,“ sagt Buch und verweist auf die zahlreichen Bauvorhaben, die wegen der hohen Kosten und fehlenden Finanzierungen nicht realisiert werden können.
Zusätzlich zu den spezifischen Problemen in der Baubranche haben viele GmbHs mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen hat sich durch die steigenden Kosten und den Nachholeffekt nach den staatlichen Corona-Hilfen verschärft. Dies führt dazu, dass zahlreiche GmbHs in finanzielle Engpässe geraten, was häufig in Insolvenzen endet. Diese GmbH-Probleme tragen erheblich zur angespannten Situation in der Bauwirtschaft bei.
In einigen Fällen sehen sich GmbHs gezwungen, ihre Geschäftsanteile zu verkaufen, um die finanziellen Schwierigkeiten zu überstehen. Ein solcher GmbH-Verkauf kann jedoch kompliziert und zeitaufwendig sein, da potenzielle Käufer aufgrund der unsicheren Marktbedingungen zögerlich sind. Dennoch bleibt der Verkauf für viele Unternehmen die letzte Möglichkeit, um eine Insolvenz abzuwenden und zumindest einen Teil des Unternehmenswertes zu retten.
Die Insolvenzen haben nicht nur Auswirkungen auf die Bautätigkeit, sondern verschärfen auch die Wohnungsnot in Deutschland. Viele Projekte bleiben unvollendet, was besonders in Städten wie Düsseldorf zu erheblichen Problemen führt. Cornelia Zuschke, Planungsdezernentin der Stadt Düsseldorf, berichtet von über 500 Wohnungen, deren Fertigstellung durch die Pleitewelle gefährdet ist.
Zusätzlich zu den spezifischen Problemen in der Baubranche kämpfen viele deutsche Unternehmen generell mit einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen stieg im ersten Halbjahr 2023 um 20,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Hohe Energiepreise, Inflation und ein Nachholeffekt nach den staatlichen Corona-Hilfen belasten die Unternehmen schwer und führen zu einer zunehmenden Zahl von Insolvenzen.
Insgesamt zeigt sich, dass die deutsche Baubranche vor großen Herausforderungen steht, die weitreichende Folgen für die gesamte Wirtschaft und den Wohnungsmarkt haben werden. Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, wie sich die Branche an die schwierigen Bedingungen anpassen kann und welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Krise zu bewältigen.